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Roggen ist ein sekundäres Getreide. In winterkalten Gebieten Europas Vorderasiens wird er als Unkraut in Winterweizen lästig: In der Antike glaubt man,
ein kalter Winter bewirke die Metamorphose von Weizen in Roggen. Weizen wintert aus, Roggen erträgt den Winter gut und nimmt keinen Schaden. Das Feld wird graugrün statt sattgrün, das geerntete Korn ist grau und dunkel statt semmelblond, das daraus gebackene Brot grau und fest statt locker und weiß. Eine Katastrophe.
Doch bald stellt man fest, das neue Korn hat geringere Ansprüche als Weizen, gibt auf leicht bearbeitbaren sandigen Böden noch gute Erträge, nimmt in schneereichen, kalten Wintern keinen Schaden. In West- und Südeuropa bleibt Weizen stets Hauptgetreide, im Mittelalter des Nordosten wird Roggen das Hauptgetreide mit einer anderen, reicheren Brotkultur als im Südwesten.
Roggen ist ein hohes Getreide, alte Sorten sind übermannshoch. Das wogende Roggenfeld mit seinen leuchtenden Korn-Blumen wird zum Sinnbild der guten alten Zeit.
Roggen ist extrem windblütig, produziert massenhaft einen hoch allergenen Pollen. Die Blüte ist eine schnelle Sache: An einem Frühsommervormittag öffnen sich synchron die Spelzen aller Ähren, schieben sich die Staubgefäße und Narben in den Wind und entlassen den Pollen. Bei Windstille steht der Blütenstaub als Wand über dem Feld, bis ein Hauch die Pollenwolke verweht. Das sehen nur wenige Menschen. |